Die e-Mobilität in Österreich im Juli 2020 ft. Kia e-Soul

Ich durfte den e-Soul von Kia für eine Woche fahren & mir ein Bild über die e-Mobilität in Österreich machen.

Ganze sieben Tage durfte ich den Kia e-Soul mit dem großen 64 kWh Akku fahren um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen, wie es denn so ist in Österreich ein e-Auto zu fahren und wie es so um die Infrastruktur bestellt ist. Hier meine Eindrücke.

Disclaimer: Kia Österreich hat mir freundlicherweise das Fahrzeug für sieben Tage ohne Kosten, aber auch ohne jegliche Erwartungen, zur Verfügung gestellt. Die Ladevorgänge musste ich selbst bezahlen.

Zuerst: Das Fahrzeug, der Kia e-Soul

Wie ich in meinem ersten Eindruck geschrieben hatte: Das Auto ist phantastisch. Meine alten Vorurteile, dass Kia eine Billigmarke wie Dacia es ist, verschwanden mit der ersten Fahrt. Kia ist um nichts schlechter verarbeitet als so manches anderes Fahrzeug eines europäischen Herstellers und definitiv wertiger als ein Tesla.

Das Modell mit etwas über 200 PS hat uns auf über 400 Kilometer durch die unterschiedlichsten Momente begleitet. Der Weg zur Arbeit oder ein Ausflug an den Neusiedler See – es war alles dabei. Von Stadt bis Autobahn. Zusammenfassung: Das Teil macht echt spaß. Die Leistung ist jederzeit abrufbar und ein Tapser am Gaspedal führt zur Leistungsexplosion.

Und die Reichweite? Laut WLTP sollte er mit dem großen Akku rund 450 Kilometer schaffen. Und das würde er auch tatsächlich! Wären wir am Schluss nicht Autobahn gefahren und hätte ich nicht versucht den Akku krampfhaft leer zu bekommen, hätten wir die 450 km locker geschafft.

Ich bin kein Auto-Aficionado. Deshalb maße ich es mir nicht an, ein Review zu verfassen. Das sollen bitte die Experten da draußen machen und zum e-Soul gibt es hier zig tolle Reviews. Das sieht übrigens nicht jeder Tech-Blogger so, wenn ich mir so “Reviews” durchlese, die einen Porsche Taycan mit einem Tesla Model S vergleichen. Puh.

Und jetzt das Drumherum: Die Elektromobilität in Österreich

Wie bereits erwähnt: Ich hatte die Chance das e-Auto eine Woche lang zu fahren um erste, längere Eindrücke zu sammeln, wie es um die e-Mobilität steht. Auch, weil ich – wie du, lieber Leser, schon mitbekommen hast – einen ID3 von VW reserviert habe.

Reichweite der e-Autos ✅

Der KIA e-Soul hat eine ähnliche Reichweite wie der VW ID3, laut WLTP. Und hier muss man mittlerweile sagen: Die Reichweite der e-Autos ist kein bzw. nicht das Thema mehr. Ein Mittelklasse Elektroauto, wie ein ID3, e-Soul, e-Kona oder ein Model 3, haben entsprechend große Akkus und schaffen über 400 km. Das reicht vollkommen aus. Hinzu kommt, dass sie recht nah an der WLTP Angabe sind – die Autos werden immer effizienter, auch, weil die Hersteller regelmäßig Softwareupdates veröffentlichen, die mal hier, mal dort den einen oder anderen Kilometer aus dem Akku herausholen können.

Das Laden ❌

Die Achillesferse der Elektromobilität ist und bleibt das Laden. Einerseits, weil die Technologie ist, wie sie ist: Das Aufladen eines Akkus dauert und braucht Zeit. Es gibt Forschungen, die diesen Prozess beschleunigen, aber diese sind noch nicht bereit um im Massenmarkt Fuß zu fassen. Damit ich den Akku des e-Soul von 20 auf 80% laden kann, muss ich rund 30 Minuten an der Ladesäule warten. Das wären nichteinmal die vollen 450 km, sondern um knapp 100 weniger.

Bei meinem Punto oder egal welchem Diesel oder Benziner stehe ich 4 Minuten an der Zapfsäule und tanke gut und gerne 700 Kilometer nach. Danach bezahle ich innerhalb von 2 Minuten. Macht 6 Minuten um eine ordentliche Reichweite zu bekommen. Somit ändert das den gesamten Prozess! Doch damit kommt auch ein Rattenschwanz an Problemen hinzu: Da der Ladeprozess so lange dauert, braucht es um so viele Ladepunkte- und Stationen mehr. Beispiel? Wer erinnert sich nicht an Schlangen vor Tankstellen bei Autos und die brauchen schon nicht wirklich lange zum zu tanken. Und jetzt das Ganze bei e-Autos. Bei Tesla in den USA in einigen Städten ist das schon der Fall:

Hier braucht es deutlich mehr Ladepunkte und, das ist meiner Meinung nach das Wichtigste: Die Technologie muss sich schneller weiterentwickeln. Akkus sollten deutlich schneller aufgeladen sein – 10 bis 15 Minuten sollten hier das Maximum sein.

Ein Punkt kommt hier aber noch hinzu: Ladeverluste. Die Ladestation zeigt einen anderen Wert als das Auto beim Laden an, wie viel Energie in den Akku geflossen ist. Die Differenz verpufft einfach und die muss ich als Kunde bei der Ladestation bezahlen. Gegenbeispiel: An der Zapfsäule stehen 15 Liter und die sind auch in meinem Auto angekommen. Jeder Tropfen, für den ich bezahlt habe, ist auch im Tank gelandet.

Die Ladekarten und die Ladenetzwerke ❌

Nun, das ist ein weiterer negativer Punkt bzw. eine sehr negative Entwicklung der letzten Jahre. Immer mehr Anbieter, was ja grundsätzlich gut ist, schießen aus dem Boden und bieten Ladepunkte an. Toll! Je dichter das Netz, desto besser und die Gefahr von Schlange stehenden Autos wird umso geringer. Doch damit hat sich ein weiterers Problem ergeben: Der Ladetarife-Dschungel.

Beispiel: Tankstellen für Benziner und Diesel. Erstens: Ehe ich bei der Tankstelle zum stehen komme, sehe ich die Preise und kann ungefähr abschätzen, ein voller Tank kosten wird. Das schaffe ich beim einem e-Auto nicht. Erstens weiß ich den Preis vorher nicht, außer ich schaue am Handy und zweitens ich kann mir nicht sicher sein ob die Ladesäule überhaupt funktioniert oder meine Ladekarte dort akzeptiert wird. Und wenn ob diese Ladestation ein Roamingpartner meines Anbieters ist. Hinzu kommt die Frage, warum ich mit unterschiedlichen Ladekarten, unterschiediche Preise bezahle? Bei der Tankstelle kostet das Benzin gleichviel, egal ob ich mit Visa, Mastercard oder in Bar bezahle…

Preise von der chargeprice.app Webseite

Alles Dinge, mit denen sich Otto-Normal einfach NICHT beschäftigen will. Das ist ein Faktum. Ich möchte mit meinem e-Auto an eine schöne Ladestation fahren, sehen, was eine kWh kostet und eine Möglichkeit haben eventuell aufs WC zu gehen oder zumindest nicht im Regen nass zu werden. ABER! Ein Abieter in Polen zeigt, dass es auch anders geht und so sollte es meiner Meinung nach auch sein, wie Michal in einer Facebook Gruppe zeigt: https://www.facebook.com/groups/50339366788/permalink/10159339915231789/

Der aktuelle Status ist aber, dass man mindestens zwei Ladekarten mit sich führen sollte (ich habe mir die von Shell Recharge und die Tanke Wien Energie geholt) um sicherzustellen, dass der Ladevorgang positiv über die Bühne geht. Und hier spreche ich von Ladevorgängen in Österreich. Alleine, wenn ich daran denke, dass ich nach Kroatien fahre und mich mit Ladepunkten dort und Slowenien oder Ungarn rumschlagen muss, möchte ich nicht wissen, was mein Vater darüber denkt… Denn er ist demnächst 60 Jahre alt und hat keine Geduld sich damit auseinanderzusetzen. Und der Status ist, dass dieses aktuelle System von Ladekarten und Roaming, Ladeverlusten und Ladedauer einfach nicht für Otto Normal ausgelegt ist, der vorher einfach in 6 oder 7 Minuten seinen Benziner an der Tankstelle für 50€ vollgetankt hat. Bei einem e-Auto kann es dann schnell passieren, dass ich für einmal Vollladen weit über 100€ bezahle und das kann es nicht sein.

Und hier muss ich dem lieben Frank widersprechen: Es reicht nicht nur eine App oder Ladekarte. Ich möchte nicht zu einem Stromanbieter wechseln müssen um nur Unterwegs von halbwegs akzeptablen Ladepreisen zu profitieren und zuhause dann nicht mehr, weil es grundsätzlich günstigere Anbieter gibt:

Frank Feil on Twitter: “Ok, kurzer Switch in die Realität: Der normale Autofahrer braucht heute @Plugsurfing und eventuell noch @MaingauEnergie, damit ist nahezu alles abgedeckt.Es muss noch nachgebessert werden, keine Frage, aber so verrückt ist es auch nicht. https://t.co/0Iq1RJoA9Z / Twitter”

Ok, kurzer Switch in die Realität: Der normale Autofahrer braucht heute @Plugsurfing und eventuell noch @MaingauEnergie, damit ist nahezu alles abgedeckt.Es muss noch nachgebessert werden, keine Frage, aber so verrückt ist es auch nicht. https://t.co/0Iq1RJoA9Z

Der Fahrspaß ✅

Mann oh Mann. Das Auto macht echt Spaß! Über 200 PS und ordentlich Drehmoment – und das flüsterleise. Hier musste ich öfters mal aufpassen nicht in eine Radarfalle zu fahren oder mich grundsätzlich an die Geschwindigkeitsbestimmungen zu halten, denn das Schnellfahren fällt einem hier überhaupt nicht auf! Das macht auf der einen Seite unheimlich viel Spaß und auf der anderen Seite kann es ganz schön gefährlich werden, da ich mich auf mein bisheriges Gefühl einfach nicht mehr verlassen kann. Wobei auch das langsame Fahren eine Freude bereitet – wieso? Wegen dem Fahrgeräusch, das gemacht werden muss – für die Fußgängersicherheit.

Ja und da war noch der Ausflug in das Burgenland mit einigen Teilen Autobahn und schönen Landstraßen. Da habe ich den e-Soul echt hart gefeiert, auch, weil ein Golf 7 R32 es wissen wollte – und sagen wir es so: Er hat es sicherlich bereut 😉 Wenn man beim e-Soul auf das Gaspedal drückt, dann pickt man in den Sitzen und muss sich ordentlich am Lenkrad festhalten!

Fazit

E-Mobiltät steht auf einer wichtigen Kreuzung: Einerseits wird sie von den Regierungen Europas massivst unterstützt und subventioniert. So bekommt man in Österreich jetzt 5000€ um sich ein e-Auto zu kaufen. In Deutschland sind es 6000€ und mehr. Da kommen noch extra Förderungen für Wallcharger zuhause dazu. Nicht schlecht!

Doch dann wäre da die fehleranfällige Ladetechnologie: Ladesäulen funktionieren nicht und sorgen für ordentliche Frustmomente (CarManiac hat hier ein Video dazu gemacht: https://www.youtube.com/watch?v=G5oJM3SSB5U). Und das Ganze toppt dann das Ladekarten und Tarifchaos mit dem der Nutzer konfrontiert ist. Das ist inakzeptabel und es ist eine Zumutung. Punkt. Wenn das Laden schon länger dauert, dann soll es so friktionsfrei wie nur möglich sein. Und das ist es derzeit nicht. Okay, bei Ionity hat man als Kunde nicht viel zu meckern, aber darüber hinaus? Ich hoffe, dass die Gesetzgeber hier ordentlich die Daumenschrauben ansetzen. Warum? Weil diese Ladenetzwerke mit Steuergeldern aufgebaut wurden. Da kann es einfach nicht sein, dass sie den Konsumenten das Geld aus der Tasche ziehen und obendrein einfach nicht funktionieren. Ach und auch noch Nutzer aussperren, wenn man eine Ladekarte nicht hat und obendrein mit Abzockermethoden Sympathien verspielen.

Hört sich alles schlimm an? Ja, natürlich ist es nicht phantastisch – aber es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Wenn man nicht ganz blöd ist und sich 5 Minuten informiert, dann kann man schon recht optimal das System für sich nutzen. Aber es gibt noch viel zu tun und deshalb möchte ich da dabei sein. Diese Entwicklung mitzumachen, das System reifen zu sehen.

So etwas ähnliches habe ich schon gemacht – 3G mit dem Mobilfunker Drei vor vielen vielen Jahren. Riesige Telefone, schlechte Akkulaufzeiten und ein noch schlechteres 3G Netz. Viel Frust, aber auch viel Spaß miterleben zu dürfen, wie sich das alle entwickelt.

Hole ich mir jetzt den ID3 von Volkswagen?

Ja, und das trotz der Hürden, die einem Ladenetzwerkbetreiber in den Weg legen. Dass es auch einfach gehen kann, zeigen die aktuellen Tankstellen: Hinkommen, tanken, bezahlen und wegfahren. Das kann auch bei e-Autos klappen – wie man am Beispiel Polen sieht.

Ich freue mich auf den ID3 und werde meine Eindrücke natürlich hier mit euch teilen. Der Kia e-Soul hat mir jedenfalls sehr viel Spaß gemacht und möchte mich bei KIA recht herzlich bedanken, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben das Auto zu fahren. Sie haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen – danke! Und wer weiß, vielleicht wird das nächste Auto nach dem ID3 ein KIA. Ich hoffe dann auf ein reines e-Auto von Kia und keinen umgebauten Verbrenner.