Österreichs Arbeitnehmer haben “eine” Vertretung. Diese hört auf den Namen “Arbeiterkammer”. Um seine Zwangsmitglieder über aktuelles zu Informieren, bringt die AK regelmäßig das Magazin “AK für Sie” heraus. Die Schlagzeile der aktuellsten Ausgabe (11/16): “Vorsicht, Spion im Netz”. Ein Rant.
Die Ausgabe 11/2016 ist auf der Webseite der AK Wien zu finden: https://wien.arbeiterkammer.at/service/zeitschriften/akfuersie/AK_fuer_Sie.html.
Volksverblödung
Schon oft haben öffentlich rechtliche Sender versucht Facebook und Co. auf den Pranger zu stellen: Sie “spionieren” Menschen aus, verwerten die Daten und sind grundsätzlich böse. Aufhänger: Die Konzerne. Witzig, dass ausgerechnet diese Sender bzw. jetzt auch immer mehr “Zeitungen” diese Sprache aufgreifen. Dabei ist es doch genau die Sprache der Populisten. Jene Populisten, die sie regelmäßig in ihren “lustigen” Sendungen durch den Kakao ziehen. Doch statt Menschen zu informieren, wie sie diese Netzwerke richtig benutzen sollen, nutzt man gerne die Werkzeuge der Populisten. Keine Lösungen, sondern nur Parolen.
Zurück zum Thema. Diesmal hat es die Arbeiterkammer auf die bösen spionierenden Konzerne abgesehen. Die Schlagzeile lässt schon die Richtung dieses “Artikels” vermuten. Aufstacheln, desinformieren, Angst schüren und verbreiten. Und dieser Artikel hat sein Ziel erreicht. Durch dieses Datensammeln werden Monster geschaffen und man scheint machtlos dagegen zu sein.
Familie Danczul als Beispiel-Opfer
Die scheinbar normale Familie Danczul wurde von der AK als Opfer ausgewählt. Man hat sie “einen ganzen Tag” begleitet und deren App- und Dienstenutzung dokumentiert. In der Früh putzt die Tochter ihre Zähne mit der intelligenten Elektrozahnbürete von Oral-B, der Vater nutzt im Auto Google Maps um sich durch den Verkehr zu navigieren, die andere Tochter spielt am Nachmittag ein Spiel auf dem Tablet, der Bruder kommuniziert über WhatsApp, die Mutter nutzt Kundenkarten um Geld zu sparen und am Abend werden Bücher auf dem Kindle gelesen.
Liest man sich das so durch, können sich viele hier wiedererkennen. Die Nutzung der Dienste gehört mittlerweile zum Alltag. Facebook, WhatsApp, Kundenkarten, Maps, etc – alles Dienste, die einerseits kosenlos sind und andererseits einiges an Daten brauchen um zu funktionieren.
Das technische Unverständnis am Beispiel Google Maps
Am Beispiel des Vaters, der Google Maps nutzt, sagt die AK “Vater Nikolaus ist im Auto unterwegs. Dabei greift er auf die Navi-Funktion von Google Maps zurück. Dass er zum offenen Buch wird, muss er in Kauf nehmen. Google Maps fragt den Standort des Geräts ab – und überträgt ihn an Google.”
Frage in den Raum: Wem ich da nicht schlecht geworden? Nicht etwa, weil Daten an Google übertragen werden, sondern wegen der Tatsache, dass dem Autor offensichtlich das technische Verständnis fehlt wie Karten-Apps funktionieren? Weiß der Autor etwa nicht, dass man für Navigations-Apps oder Dienste GPS braucht um punktgenau geortet werden kann um den Navi-Dienst zu nutzen? Das es sich hierbei um Online-Karten handelt, die nicht auf dem Gerät gespeichert, sondern live runtergeladen zu werden?
Was noch mehr aufregt: Wenn sich der Autor schon an der Tatsache, dass Google weiß wo man sich befindet aufhängt – wieso werden keine Alternativen angeboten, die Offline-Karten anbieten und wo kein Datenaustausch stattfindet? Diese gibt es mit Here WeGo zb. Oder wie wäre es mit OpenStreetMaps?
Am besten kein Smartphone verwenden
Die AK hat einen Nokia-Betriebsrat (die gibts noch?) und IT-Experten als “Experten” zu diesen Themen geholt. Sein Fazit: Kein Smartphone verwenden, alles vom Desktop aus und (jetzt kommts) am besten Linux nutzen. Weil da ist die Datensicherheit am größten. Interessant. Das heißt, dass wenn ich einen Linux-Desktop nutze, weniger Daten von Facebook, Google und Co. verarbeitet werden? Wenn ich Mails verwende, die dann nicht von Geheimdiensten gelesen werden?
Der “Experte” weiß wohl nicht, dass Android zb. ein auf Linux-basierendes Betriebssystem ist. Ein Widerspruch in sich.
Apropos Smartphone
Interessant, dass in dem Artikel nur auf Apps und nicht auf Smartphone Betriebssysteme eingegangen wird. Nur mal so als Denkanstoß.
Kundenkarten scheinen okay zu sein, auch für den “Experten”
Wiederrum sehr skurill und lustig: Kundenkarten. Der Absatz vermittelt einem, dass diese ansich in Ordnung sind. Für seine Daten bekommt der Kunde ja im Gegenzug etwas günstiger. Zum Schluss wird auf die Hacker hingewiesen. Die könnten ja Daten stehlen. Böse Hacker!
Mit kommt es so vor, das hier in eine zwei Klassen Gesellschaft geteilt wird. Einerseits die guten österreichischen Supermärkte, die zwar auch Datensammeln, aber man im Umkehrschluss dafür etwas bekommt. Andererseits die großen, mächigen Konzerne, die auch Datensammeln, aber nur für den Selbstzweck. Es wird sogar das Horrorszenario gemalt, dass Versicherungen und Co. an die Daten kommen und so das Preismodell der Produkte anpassen würden.
Die Autoren wissen wohl aber nicht, dass das schon getan wird. Allerdings nicht auf Basis der Daten von Google, Facebook und Co. sondern mit eigenen Apps, wie zb. die Uniqa Versicherung. Sie versucht Menschen mit Belohnungen zu erziehen: Nutzt man das Handy nicht während des Autofahrens, gibt es Punkte, die der Nutzer gegen Goodies eintauschen kann.
Zumal scheint das Geschäftsmodell der jeweiligen “Konzerne” den Autoren auch nicht bekannt zu sein. All diese Dinge werden, absichtlich?, nicht erwähnt.
Datenschutz ist ein ernstes Thema
Ja und wie. Nicht nur, weil es darum geht, wie man seine Privatsphäre vor anderen schützt, sondern auch dafür sorgt, dass Kriminelle durch Phising und Co. an meine Daten kommen und sie missbrauchen. Datenmissbrauch und Identitätsdiebe hat es schon lange vor Google, Facebook und Co. gegeben. Damals war es ähnlich einfach, da die Sicherheitssysteme einfach schlechter, löchriger waren. Die Kommunikation über solch ein Datenleck teilweise nicht vorhanden. Heute stehen Dienste im Rampenlicht. Jeder noch so kleiner Patzer wird erbarmungslos bestraft – auch vom Nutzer, wie der Fall Yahoo zeigt.
Im Artikel wird am Schluss (zu) kurz gefordert, dass es strengere Gesetze geben muss um die Datensicherheit eines einzelnen zu gewährleisten. Solche Artikel bewirken das Gegenteil. Solche Artikel stacheln Menschen auf, lassen sie paranoid werden und letztlich sind genau diese Menschen, die Fortschritt verweigern. Dinge wie Online-Wahlen, E-Government und andere tolle Dinge, die die Demokratie noch weiter stärken können bzw. dem Bürger mehr und einfacheren Zugang zu Behörden geben, werden durch solche Artikel gefährdet.
Wo sind die Alternativen? Wo die Tipps?
Was mich noch mehr aufregt, ist aber die Tatsache, dass in diesem Text auf keinerlei Alternativen eingegangen sind. Was könnte man denn statt Google Maps, WhatsApp und Co. nutzen? Muss man die intelligente Zahlbürste nutzen? Nein. Hier wird es so dargestellt, als wären die Nutzer alternativlos.
All diese Dienste leben davon, dass Menschen sie verwenden und sie füttern. Wo ist denn der Hinweis, dass man darauf achten könnte, welche Daten man her gibt? Gibt es nicht – es ist viel einfacher mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. An den Pranger zu stellen.
Wie wärs mit einem “Bei Glatteis wir nicht gestreut. Benutzung auf eigene Gefahr” Schild? Das hat in der Vergangenheit durchaus gereicht. Aber jetzt? Jetzt braucht es wohl für jedem Menschen einen Babysitter.
Blanker Populismus
Wären wir wieder beim Thema Populismus angekommen. Der Zweck heiligt die Mittel. Oder so ähnlich. Ist man gegen etwas, so wird diese Keule geschwungen. Man muss irgendwie sein Ziel erreichen. In diesem Fall wohl das verbreiten von Panik und purer Desinformation. Statt: “Wie verbeite ich weniger Daten im Web”, heißt der Titel “Vorsicht, Spion im Netz”.
Welches Ziel die Arbeiterkammer damit hat? Weiß ich nicht. Ich weiß jedenfalls, dass ich nie um die Mitgliedschaft in diesem Netzwerk angesucht hatte und mich nicht dafür angemeldet habe. Auch nicht, das sich etwas dafür bezahlen möchte, aber muss. Und die Arbeiterkammer hat mich nie gefragt ob ich deren Magazin haben möchte. Bekommen tu ich diesen Spam aber jeden Monat. In meinen Briefkasten. Und das ohne denen jemals meine Adresse, meinen Geburtstag oder meine Arbeitsstelle bekannt gegeben zu haben.
Und jetzt möchten die mir sagen, dass mich böse Konzerne ausspionieren? Die sollen doch lieber bei sich selbst anfangen.
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