Spazierfahrt: Mit dem ID.4 einmal nach Kroatien und zurück!

Eine Woche durfte ich den ID.4 fahren. Meine Eindrücke…

Da hatte ich doch gerade das ID.3 Review veröffentlicht und schon kommt das Nächste. Naja, nicht ganz. Denn ich bin der Überzeugung, dass gerade moderne Autos (Stichwort Software) beim Kunden reifen und nach einer Woche ein erster Eindruck vermittelt werden kann, der definitiv nicht für ein Review reicht. Deshalb stampfe ich die Kategorie “Spazierfahrt” aus dem Boden, wo ich über meine kurzen (rund eine Woche) Erfahrungen mit Elektro-Autos mit euch teilen möchte. Den Anfang macht der ID.4 aus dem Hause Volkswagen.

Disclaimer: Volkswagen hat mir das Auto für eine Woche zur Verfügung gestellt. Dieses habe ich wieder zurück gegeben. Die Leihstellung war mit keinen Bedingungen verknüpft. Diesen Beitrag bekommt das Unternehmen nach der Veröffentlichung, wie all meine Besucher, zu lesen.

Der erste Eindruck: Gut schaut er aus!

Der ID.4 beim Laden an der einzigen Ladesäule in der Stadt Vinkovci in Slawonien

Der ID.3 ist grundsätzlich ein großes Auto. Auf dem Parkplatz hat es eine Präsenz und fällt auf. Auch ob seiner Größe – vor allem im Vergleich zu seinem Bruder, dem Golf. Doch der ID.4 schlägt hier ein neues Kapitel auf. Er ist nochmal wuchtiger, bulliger und größer. Das Marketing nennt sowas “SUV”. Und ich? Einen etwas größeren Kombi. Er schaut gut aus! Das aus meinem Mund zu hören… ein Kombi, der gut aussieht. Davon gibt es vielleicht eine handvoll. Zum Audi A6 Avant, gesellt sich jetzt auch der ID.4 dazu.

Ich habe eindeutig zu wenig Fotos gemacht. Da merkt man: Sowas ist nicht meine Stärke…

Von vorn lässt sich die Verwandtschaft zum ID.3 und bald ID.5 nicht abstreiten. Von den hervorstechenden Matrix-LED Scheinwerfern, der LED-Leiste, die vom nicht leichtenden VW-Logo unterbrochen wird bishin zu der doch sehr bulligen Front. Der Gedanke, dass der Luftwiderstand beim ID.4 höher als beim ID.3 ist, ist nicht falsch. Ja, sogar richtig. Das lässt den Energiekonsum auf der Autobahn etwas steigen. Dazu später mehr.

Das Heck ziert eine durchgehende, rot leuchtende Leuchte. Das sieht in der Nacht einfach fantastisch aus. Das gibt es beim ID.3 nicht. Das zeigt schon eine gewisse Präsenz auf der Straße. Man läuft hier auch nicht gefahr, dass einen ein anderer Verkehrsteilnehmer übersieht. Das Auto ist sehr gut ausgeleuchtet.

Der Innenraum

Das Display ist beim ID.4 größer als beim ID.3

Wer sich hier eine Überraschung erwartet, der wird enttäuscht, denn auch im Innenraum lässt sich die Verwandtschaft zum ID.3 nicht leugnen. Das sind Geschwister durch und durch. das Lenkrad, der (etwas größere) Bildschirm in der Mitte, der Gangwahlhebel. Alles defacto gleich. Lediglich die Mittelkonsole ist etwas anders als beim ID.3. Meiner Meinung nach etwas smarter, denn man hat hier Platz für Ladekarten geschaffen. Beim Bruder gibts nur ein Netz… Die Materalien wurden und werden von einigen Reviewern bemängelt und ich kann das nicht wirklich nachvollziehen. Ja, klar – da hätten Holz, Alcantara und andere Stoffe verwendet werden können. Aber als einer, der von einem 2012er Fiat Punto daher kommt, mit dem er über 130.000 Kilometer gefahren ist, kann ich gewisse Entscheidungen nachvollziehen. Für mich ist vieles pragmatisch eingerichtet worden und das ist auch gut so. Auch angesichts der Tatsache, dass man hier CO2 einsparen möchte. Plastik braucht eben in der Produktion weniger Energie und somit wird hier auch weniger CO2 augestoßen… Aber das ist ein anderes Thema und auch eine Frage des Geschmacks.

Was eher nicht gut ist, sind diese Klavierlack-Teile. Das war und ist, egal wo, kein gutes Material. Dieses Feedback ist anscheinend auch bei VW angekommen und man wird weniger von diesem Zeug in künftigen Varianten sehen.

Der Innenraum ist, wie könnte es anders sein, größer als beim ID.3. Hier gibt es viel Platz! Und das hat mich nochmals positiv überrascht. Auch auf der Rückbank ist es um eine Ecke geräumiger! Hier hat eine Vier-Köpfige Familie mehr als genug Raum für längere Strecken! Die Sitze sind gemütlich und mehr als tauglich für die Langstrecke.

Ja, ich habe vergessen den Kofferraum zu fotografieren 🤦‍♂️ Deshalb habe ich mir das Foto “ausgeborgt”. Es ist eingebettet!

Der Kofferraum bietet auch, typisch Kombi, ordentlich Platz! Und sollte der mal nicht reichen, kann man die Rückbank umklappen. Dann wird der 5- schnell zu einem 4- oder 2-Sitzer.

Das Elektroauto

Alles, was ich bis jetzt geschrieben hatte, fällt alles “subjektive Wahrnehmung” und ist eine Frage des Geschmacks. Des eine mag den Innenraum nicht, der Andere schon. Das Display ist zu groß, klein oder hat das falsche Seitenverhältnis. Deshalb möchte ich mich nicht auf diese Sachen versteifen und möchte mich den wohl wichtigsten Part widmen: Dem Elektro-Part dieses Autos. Und dieser Teil ist recht klar, hier gibts nichts subjektives, sondern harte Fakten.

Der ID.4 hat einen Akku mit 77 kWh Kapazität. Doch was bedeutet das? Der Akku kann als “Tank” verstanden werden, der eine gewisse Anzahl an Strom aufnehmen kann und entsprechend errechnet sich dann die potentielle Reichweite. Kapazität / Energiekonsum = Reichweite. Und die Reichweite ist beim Elektroauto, das ist kein “Problem” des ID.4, sondern aller Elektroautos, schwankt sehr starkt und hängt von vielen Faktoren ab: Gasfuß, Wetter, cW Wert des Autos, Software (“Drivetrain”,…) und so weiter. Und hier kommt der ID.4 voll aufgeladen rund 400 Kilometer weit. In meinem Fall – wie erklärt. Die Reichweite hängt von vielen Faktoren ab und in meinem Fall mit viel Autobahn und 120 km/h, sind wir bei 400 Kilometer potentieller Reichweite angekommen. Potentiell, da man ja nie ein (E-)Auto komplett leer fährt bzw. ein E-Auto ja auch nie regelmäßig auf 100% laden soll. Etwas weniger Autobahn und voila, würde man sogar mehr als 400 Kilometer weit kommen.

In den sieben Tagen, in denen wir das Auto hatten, haben meine Frau und ich rund 1500 Kilometer zurück gelegt. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 73 km/h, hat das Auto 20,7 kWh Energie auf 100 Kilometer gebraucht.

(77 / 20,7) * 100 = 371,98 Kilometer Reichweite

Somit kommt man hier mit einem vollen Akku 372 Kilometer weit. Davon war der Großteil auf der Autobahn. Hier sind wir mit 120 km/h gefahren. Zeitweise auch mal 130 oder auch 80 km/h – Gasfuß bzw. Baustellen sei dank. Als ID.3 Fahrer bin ich um die 17 kWh bei einem ähnlichen Fahrprofil gewöhnt. Das größere, schwerere Auto mit einem höheren cW Wert bedeuten eine höhere Energienutzung. einen weiteren Beitrag zum erhöhten Verbrauch, trug auch der teils massive Gegenwind auf der kroatischen A3 von Zagreb nach Zupanja bei…

Der größere Akku gleicht das nicht nur aus, sondern bietet grundsätzlich eine etwas höhere Autobahnreichweite. Hier wäre es interessant, wie es beim ID.3 mit dem 77 kWh Modell aussieht… Letztenendes vertrete ich den Standpunkt, dass der Ladespeed, mehr oder weniger, “egal” ist. Mehr als 100 kW sollten es grundsätzlich schon sein. Wichtiger ist es, dass es mehr als genug Lademöglichkeiten gibt. Egal ob beim Einkaufen oder an der Autobahn. Hier muss es einfach mehr Optionen geben vor allem sogenannte HPCs, Ladesäulen, die über 100 kW liefern können. So können Autos schneller laden und somit auch schneller die Ladesäule verlassen einerseits und andererseits auch die Möglichkeit haben sich auszusuchen, wo sie laden können. Denn dann vermeidet man Szenarien, wie diese:

2 CCS Anschlüsse für 3 Autos. Das klappt nicht.

Ich höre schon einige sagen: Ja, aber laut Hersteller, sollte das Auto doch rund 517 Kilometer schaffen! Richtig. Allerdings wird die Reichweite nach WLTP gemessen und dieses Verfahren ist alles andere als gut. Grundsätzlich kann man sagen, dass das Auto im Sommer, bei den täglichen Fahrten (Einkaufen, Arbeit,… – ohne Autobahn) mehr als die WLTP Reichweite schaffen wird. Mit meinem ID.3 brauche im im Sommer rund 10 kWh auf 100%, wenn ich mich in der Umgebung bewege. Das wären dann rund 500 Kilometer. Und hier kann das Elektroauto auch seine Stärken ausspielen. Bei Fahrten auf der Autobahn wird es dann etwas “kompliziert”, denn hier spielen viele Faktoren eine Rolle: Reifen, Gegenwind, Wetter und so weiter.

Das gefahrene Modell war ein 1st und hat neben einigen netten Extras, wie dem Glasdach, noch DCC mit an Board gehabt. Das bedeutet: Die Stoßdämpfer können dem Fahruntergrund und dem Fahrverhalten eingestellt werden. Auf der Autobahn auf weich und auf der kurvigen Landstraße auf hart. So ist das Auto immer gut abgestimmt.

Und das merkte man auch. Auf der Autobahn hatte man das Gefühl, dass auf Wolken gefahren wird. Das waren die angenehmsten Kilometer auf der Schnellstraße, die ich je gefahren bin. Und gerade deshalb steht fest: Nach Matrix-LED, AR Heads-Up-Display und Massagesitzen, ist DCC das nächste Feature, das definitiv ein MUSS ist. Volkswagen erklärt das Feature hier ganz gut.

Das RWD ID.4 Modell, teilt sich den Motor mit dem ID.3. Das bedeutet: 150 kW oder 204 PS. Im ID.3 fühlen sich die 204 PS gut an, das Auto fährt wie ein Gokart. Beim ID.4, mit seinem Gewicht und dem höheren Luftwiderstand, wirkt das Ganze dann doch etwas behäbiger. Gerade hier wären paar PS mehr sicherlich gut gewesen. So würden Überholvorgänge und oder Sprints deutlich angenehmer. Ja, es gibt beim ID.4 das GTX Modell mit einem zusätzlichen Motor in der Front. Der soll einen deutlichen Unterschied machen – aber das kann ich nicht beurteilen.

Geladen wird der 77 kWh Akku mit 130 kW Peak und geht nach rund 35% kontinuierlich runter, sodass er bei 80% noch mit 57 kW lädt. Was bedeutet das in Zeit? Von 10 auf 80% braucht das Auto ungefähr 30 Minuten. Bei einem 150 kW Schnelllader. Etwas schneller als mein ID.3 mit der 58 kWh großen Batterie und das ist ein sehr guter wert. Bei einer 11 kW AC Säule, braucht das Auto entsprechend (deutlich) länger als mein ID.3 – kein Wunder! Denn das Auto hat deutlich mehr Kapazität. Ein Faktum, das mich einmal auf dem falschen Fuß erwischt hat.

Software

Diesen Punkt muss ich hier nochmals kurz erwähnen und die Kritik aussprechen. Das Auto hatte die Version 2.1 installiert – und das obwohl VW schon im Juli 2.3 freigegeben hat. Warum die aktuellste Version hier noch nicht installiert war, weiß ich nicht. Jedenfalls hätte das dem Infotainment nochmals gut getan. Hier mein Feedback an VW: Diese Fahrzeuge solltet ihr aktuell halten. Mir ist es “egal” – ich kenne die Software, weiß wie sie funktioniert und kenne auch ihre Schwächen. Und die wurden mit 2.3 teilweise deutlich reduziert.

Somit war ein direkter Vergleich mit dem ID.3 nicht möglich, da ich schon 2.3 installiert hatte. Aber grundsätzlich war sie halbwegs okay. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir die meiste Zeit Android Auto verwendet hatten. Die App konnte ich nicht mit dem Auto verbinden. Genauer: Ich habe mich nicht getraut. Ich wusste nicht, was dann passieren würde.

Fazit

Ich muss gestehen: Als der ID.4 vorgestellt wurde, war ich kein großer Fan von dem Auto. Ich fand es “nicht schön”. Aber das hat sich mit der Zeit geändert. Mittlerweile gefällt er mir richtig gut. Nicht nur, wie er aussieht, sondern auch, was er zu bieten hat: Er ist groß, gemütlich und vor allem PRAKTISCH. Er bietet drinnen viel Platz und ist deshalb nicht nur ein tolles Reiseauto, sondern ein ideales Familienauto.

An eine Sache musste ich mich gewöhnen: Die Größe. Es ist deutlich größer als der ID.3 und somit musste ich die 360 Grad Kamera sehr oft einsetzen um zu sehen, wo das Auto aufhört und wo die Reifen / Felgen sind, da ich keine Kratzer oder andere Schäden hinterlassen wollte. Was man von den Leuten, die das Auto vor mir hatten, nicht behaupten kann. Die Felgen waren zerkratzt, auf der Fahrerseite gab es eine große Delle. Ich verstehe einfach nicht, wie Leute so mit einem Auto umgehen können, das nicht ihres ist. Aber das ist wohl eine Geschichte für einen anderen Tag.

Auch das großzügige Raumangebot war sehr gewöhnungsbedürftig. Meine Frau meinte, dass wir mit jedem neuen Auto weiter auseinander rücken. Das ist richtig, denn der alte Fiat Punto war tatsächlich sehr klein. Der ID.3 bietet da schon deutlich mehr Platz und beim ID.4 sitzt man dann noch weiter auseinander.

Das Auto lädt den großen Akku schneller als der ID.3 den mittleren mit 58 kWh Kapazität und er kommt dadurch auch weiter. Könnte ich die Zeit zurück drehen, dann würde ich mich eventuell für den ID.4 entscheiden.

Deshalb kann ich das Auto an alle empfehlen, die einen wirklich soliden Elektro-Kombi suchen, einfach nur empfehlen. Und mit der kürzlich vorgestellten Coupé-Variante des ID.4, dem ID.5, hat VW die Software in der Version 3.0 gezeigt – das macht Laune und lässt die MEB-basierten Autos viel leichter Freunden und der Familie empfehlen.

Wären da nicht die Wartezeiten. Danke “Chip-Shortage”.